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Marmor, Stein und Eisen. Temporäre Installation von Iris Andraschek und Hubert Lobnig

Andraschek und Lobnigs temporäre Installation ist mit dem Schwerpunktjahr des Landes Kärnten „Erinnerungsjahr 2025 Leto spominjanja“ verbunden. In der Auseinandersetzung mit der Thematik formuliert das Künstler:innenduo folgende Fragen, deren Beantwortung und Diskurs den Subtext ihres Kunstwerks bildet: Brauchen wir Erinnerungsstücke? Ist Erinnerung etwas, das man nicht anfassen kann? Wie erinnern wir uns gemeinsam? An welche Orte, Materialien und Formen und durch welche Denkmäler oder Gedenktafeln wird Erinnerung angestoßen? Werden Ereignisse, die es nicht wirklich gegeben hat, vergessen oder sogar als unwichtig abgetan?

Inspiriert von Italo Calvinos Buch Die unsichtbaren Städte werden Besuchende dazu eingeladen, sich in eine andere Stadt, in eine andere Zeit und Welt versetzt zu fühlen. So schreibt Calvino über die fiktive Stadt Zaira: „Mit dieser Welle, die aus den Erinnerungen zurückfließt, saugt die Stadt sich voll wie ein Schwamm und breitet sich aus“. [1] Der Lendhafen fungiert in der Installation als eine Art Raum-Zeit-Maschine. Wer ihn betritt und sich dort aufhält, soll sich an einen anderen Ort transportiert fühlen, wie etwa an die Ufer des Tibers. Durch dieses Erlebnis soll es ermöglicht werden, den Lendhafen räumlich verändert wahrzunehmen, um sich so auf die vorab genannten Fragen fokussieren zu können und auch eigene Fragen und/oder Antworten zu formulieren.

Die vorhandenen Gegebenheiten sind darüber hinaus auch sehr entscheidend für das Kunstwerk, und zwar sowohl für seine Materialität als auch für den Kontext, in den es gestellt wird. Drei wesentliche Elemente machen für das Duo den Zauber des Ortes aus: das Material, die Form und das Wasser. Der Marmor und seine Verwendung zeigen für sie, dass die Baumeister dieses Ortes konkrete Vorbilder hatten, indem sie beispielsweise eine italienische Bauweise referenzieren. Das Wasser, seine Farbe, Reflexionen und Spiegelungen machen den Lendhafen für Andraschek und Lobnig ferner zu einem ästhetisch interessanten Raum.

ERINNERUNG IST IMMATERIELL – SPOMINJANJE JE NEMATERIALNO. Der Schriftzug wird im ersten Teil der Arbeit mit einem speziellen Verfahren auf die Mauer des Lendkanals übertragen und vorsichtig herausgewaschen. Die Vergangenheit und die Gegenwart vertauschen dabei ihre Plätze. Hier wird Geschichte sichtbar gemacht. Sie entsteht, wenn sich Ruß, Schmutz und Patina der Stadt überlagern. Der Pörtschacher Marmor, der sich darunter befindet, bildet dabei den historischen Untergrund. Der Prozess der Immaterialisation macht die unteren Schichten sichtbar. Die Wände des Lendhafens zur Stadt hin sind wie riesige Projektionswände. Der Satz wird mit der Zeit langsam unsichtbar, weil er zunehmend wieder verschmutzt und damit verschwinden wird.

DENK( )MAL. Im zweiten Teil der Arbeit geht es um den Geschichts- und Denkmalstreit in Kärnten. Anhand von fünf realen, zerstörten oder fiktiven Monumenten wird die Betonung von Prozesshaftigkeit und Entmaterialisierung im Kontext der Erinnerung und Erinnerungskultur skizziert. Diese bestehen, angelehnt an Bauprozesse, aus Styrodur und schwimmen auf Plattformen im Lendkanal. Die Auswahl von Denkmälern erfolgte in der Auseinandersetzung mit ihnen und ihrer Geschichte, über die eine gedankliche Brücke von Aspekten wie Statik, Materialität und Martialität zu Konzept, Abstraktion, Prozess und Immaterialität hergestellt werden kann. Die Denkmäler verbindet, dass sie zerstört bzw. verändert wurden, und zwar auf einer materiellen oder strukturellen Ebene. Kontextualisierung und Auseinandersetzung in Bezug auf historische Ereignisse entsteht in einer Kombination aus genauer und differenzierter Geschichtsforschung, offener Form, Prozesshaftigkeit und Angeboten der Beteiligung.

  1. Das Partisan*innendenkmal in Völkermarkt.
  2. Das noch nicht existierende Denkmal für die Opfer des Sicherheitsdienstes der SS am Kreuzbergl in Klagenfurt.
  3. Das zerstörte Denkmal für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin.
  4. Das gesprengte Denkmal für Hans Steinacher in Völkermarkt.
  5. Das abgesenkte Mahnmal gegen Faschismus auf dem Harburger Rathausplatz in Hamburg.

 

  1. Partisan*innendenkmal in Völkermarkt

Das Völkermarkter Partisan*innendenkmal wurde 1947 am Friedhof St. Ruprecht in Völkermarkt/Velikovec aufgebaut. Entworfen wurde es vom kroatisch-österreichischen Künstler Marjan Matijević (1907–1971). Es besteht aus einem Sockel, auf dem sich eine Figurengruppe aus zwei Männern und einer Frau befindet. Als eine der wenigen monumentalen Figurengruppen im Stil des sozialistischen Realismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Österreich, richtete sich das Denkmal gegen den Faschismus. In der Nacht vom 9. auf den 10. September 1953 wurde das Partisan*innendenkmal von später nie ausgeforschten Tätern gesprengt. Der Sockel blieb in St. Ruprecht jedoch erhalten. Auf ihm wurde 1961 anstelle der Figuren eine Metallschale angebracht. 2016 wurde das Denkmal wiederum neugestaltet, und seit 2019 steht es unter Denkmalschutz. Die Bronzeteile der gesprengten Figurengruppe wurden gelagert, 1983 zusammengeschweißt und auf einen neuen Sockel gesetzt. Am 14. August 1983 wurde diese neue Version auf dem Peršmanhof bei Bad Eisenkappel/Železna Kapla enthüllt und ebenfalls unter Denkmalschutz gesetzt. Die Figuren können wegen der nach wie vor unvereinbaren politischen Gegensätze in Kärnten/Koroška nicht an ihren ursprünglichen Ort zurückgebracht werden.

–> weiterführend Holzer, Jakob: Denkmalschutz für ein PartisanInnendenkmal. Online unter: https://www.klahrgesellschaft.at/Mitteilungen/Holzer_1_21.pdf (letzter Zugriff: 26.05.2025).

 

  1. Hinrichtungsstätte in Klagenfurt/Celovec

Die ehemalige Hinrichtungsstätte Kreuzbergl befand sich ca. 200 Meter westlich der Sternwarte in Klagenfurt. Noch in den Nachkriegsjahrzehnten wurde sie vom österreichischen Bundesheer als Übungsschießstätte genutzt. Heute befindet sich dort eine von Wald umgebene Wiese sowie die mittlerweile leerstehenden Militärunterstände, die im Frühling und Sommer 2006 von Jugendlichen besetzt wurden. Viele Forscher*innen sind sich darüber einig, dass das Divisionsgericht der „438. Division zur besonderen Verwendung“ dort zuletzt in den letzten Kriegsmonaten Todesurteile verhängt und vollstreckt hat. In der Friedhofsverwaltung des Magistrats Klagenfurt finden sich unter dem Titel „Füsilierte Wehrmachtsangehörige” sehr präzise Angaben über mindestens 16 Hinrichtungen, die an der „Kreuzbergl-Schießstätte” vom September 1944 bis Kriegsende verübt wurden. Dem letzten dieser Morde der deutschen Wehrmacht fiel der 24-jährige Partisan Johann Podbeuschek zum Opfer. Der Beirat für Gedenk- und Erinnerungskultur der Stadt Klagenfurt/Celovec hat bereits vor 20 Jahren die Forderung nach einem Denkmal gestellt und notwendige Vorarbeiten geleistet. Ungeachtet dessen gibt es nach wie vor keine konkreten Pläne für die Errichtung eines Denkmals am Kreuzbergl.

–> weiterführend Nadja Danglmaier & Helge Stromberger: Orte der nationalsozialistischen Gewalt in Klagenfurt, Auseinandersetzung mit Regionalgeschichte in Höherbildenden Schulen, Teil 1

 

  1. Revolutionsdenkmal in Berlin

Das Revolutionsdenkmal war ein Denk- und Mahnmal, das 1926 auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in Berlin errichtet wurde. Es sollte zur Erinnerung an die im Jahr 1919 ermordeten KPD-Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Opfer der Reichstagsunruhen von 1920 sowie einige weitere später verstorbene Revolutionäre aus der Arbeiter*innenbewegung beitragen. Das Denkmal, das Ludwig Mies van der Rohe im Auftrag des Kunstmäzens und KPD-Funktionärs Eduard Fuchs entwarf, hatte eine abstrakte, expressionistisch-konstruktivistische Form und bestand aus einer sichtbaren Backsteinstruktur aus Klinkerziegeln. Der Bau wurde 1935 von den Nationalsozialisten bis auf sein Fundament abgetragen und wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht wiederhergestellt. Die Fundamente konnten Ende der 1970er Jahre geborgen werden. Zwischen 1979 und 1983 konzipierten Günter Stahn und Gerhard Thieme in Berlin-Lichtenberg ein Erinnerungsmal in Gestalt einer Klinkermauer mit appliziertem Bronzerelief.

–> weiterführend Bildhauerei in Berlin. Online unter: https://bildhauerei-in-berlin.de/bildwerk/erinnerungsmal-an-das-revolutionsdenkmal-von-ludwig-mies-van-der-rohe-von-1926-8305/ (letzter Zugriff 10.06.2025).

 

  1. Denkmal für Hans Steinacher in Völkermarkt

Der geschichtlich stark belasteten Figur Hans Steinacher wurde 1976 ein Ehrendenkmal vor dem Völkermarkter Volksschulgebäude gewidmet, das am 2. Mai 1976 im Rahmen eines Festzuges enthüllt und eingeweiht wurde. Es bestand aus drei unterschiedlich hohen Stahlbeton-Säulen zwischen die ein riesiger Gedenkstein geklemmt war. Im Vorfeld der Errichtung des Denkmals beschloss der Gemeinderat 1975 mehrheitlich die Benennung des Rasenstücks vor der Schule als „Dr.-Hans-Steinacher-Park“. Mitte Juni wurde der Stein durch eine nächtliche Sprengstoffexplosion zerstört und die Steher deformiert. Dabei barsten im gesamten Schulgebäude die Fensterscheiben.

Nach dem Anschlag wurde eine neue, kleinere Ehrentafel für Hans Steinacher auf dem gesprengten Denkmal befestigt. 2020, im Jubiläumsjahr der Volksabstimmung, beschloss der Völkermarkter Stadtrat eine Adaptierung des Steinacher-Denkmals mit einer neuerlichen Ehrung der umstrittenen Person, ohne die Möglichkeit einer Kontextualisierung zu nutzen. Einzigartig an dem Denkmal ist, dass es seit 1976 in seiner gesprengten Form erhalten geblieben ist.

–> weiterführend Klaus Schönberger: Mythos Hans Steinacher als Antagonismus. Gedenkpraktiken in Kärnten/Koroška. Online unter: https://volksabstimmung2020.aau.at/wp-content/uploads/2021/11/Sch%C3%B6nberger_-OEZV_Heft_2_2021_online.pdf (letzter Zugriff 10.06.2025)

 

  1. Mahnmal gegen Faschismus in Hamburg-Harburg

Zum 50. Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme beschloss die Bezirksversammlung Harburg im Januar 1983 einstimmig die Errichtung eines Mahnmals gegen Faschismus auf dem Harburger Rathausplatz. Nach einer offiziellen Ausschreibung, einem Auswahlverfahren und intensiven Diskussionen fiel die Entscheidung zugunsten eines Entwurfs von Esther Shalev-Gerz (geb. 1948) und Jochen Gerz (geb. 1940), die eine besondere Form der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus beabsichtigten. Das Ehepaar baute 1986 eine mit Blei ummantelte Säule von zwölf Metern Höhe auf, die als Schreibgrund für Unterschriften und Kommentare zur NS-Zeit genutzt werden sollte. In acht Schritten wurde die Stele vom 10. Oktober 1986, dem Tag ihrer Einweihung, bis zum 10. November 1993 in das Erdreich abgesenkt. So wurde immer wieder Platz für neue Kommentare geschaffen, aber auch ein Symbol für das Eingraben der Erinnerung gestaltet. Am Ende waren es circa 60.000 Beschriftungen unterschiedlichster Art, die mit der Säule versenkt wurden. Es sind Unterschriften, nachdenkliche Worte, antifaschistische Zitate ebenso wie Sprüche und ausländerfeindliche Parolen. Die Absenkungen der Säule in die Erde wurden von Diskussionsrunden und Vorträgen zur Geschichte des Nationalsozialismus begleitet. Heute ist von dem Mahnmal nur noch die oben abschließende Bleiplatte im Gehweg zu sehen. Außerdem ermöglicht ein Fenster in der Fußgängerunterführung den Blick auf einen Teil der Stele. Tafeln erklären die Entstehung des Denkmals und den Anlass seiner Errichtung. Die Leerstelle des versenkten Denkmals wird in der dortigen Inschrift wie folgt erläutert: „Denn nichts kann auf Dauer an unserer Stelle sich gegen das Unrecht erheben.“

–> weiterführend Wegweiser für Gedenkstätten in Hamburg. Online unter: www.gedenkstaetten-in-hamburg.de (letzter Zugriff 10.06.2025)

 

 

Foto: Johannes Puch

 

Iris Andraschek und Hubert Lobnig

leben und arbeiten in Wien und in der Nähe von Horn. Andraschek setzt sich in ihren Projekten mit Fotografie, Zeichnungen, Objekten und Skulpturen, aber auch mit Kunst im öffentlichen Raum auseinander. Lobnig, Professor an der Kunstuniversität Linz, ist in Völkermarkt geboren und fühlt sich nach wie vor mit seiner Heimat in Kärnten verbunden. Die Schwerpunkte seiner künstlerischen Arbeit liegen in den Bereichen Malerei, Zeichnung, Video, Fotografie sowie kontext- und ortsbezogene Projekte und Installationen im öffentlichen Raum. Letzteres realisieren sie häufig gemeinsam.

www.irisandraschek.com
www.hubertlobnig.com

 

Im Rahmen der Eröffnung am 13.06.2025 fand ein Konzert von Yegor Zabelov statt.

Foto: Johannes Puch

Yegor Zabelov

Zabelov ist ein innovativer und origineller Akkordeonvirtuose aus Weißrussland. Er mischt in seiner Musik experimentelle Ansätze mit Elementen aus Jazz, Rock und Neo-Klassik. Dabei entstehen wundersame und mystische Klänge. In seinen Händen wird das Akkordeon zum Werkzeug für besondere Erlebnisse und seine Auftritte zu einem musikalischen Ritual.

Yegor Zabelov im Web

 

 

[1] s. Calvino, Italo (2013): Die unsichtbaren Städte. Frankfurt am Main: Fischer, S. 18.